Tyranus Blog

Deutsche Sprache

26. Januar 2019 | 4 Minuten zu lesen

Die Deutsche Sprache verroht, sie verfällt, sie geht zu Grunde. So ist es in ständig wiederkehrenden Artikeln aller Zeitungen zu lesen. Sprachhüter sind entsetzt, wie Menschen im Alltag mit ihrer Sprache umgehen. Sie benutzten sie einfach falsch! Ohne Skrupel! Oft mit Absicht! Die Gegenposition stellt dem gegenüber, das sei doch ganz normal. Die Sprache habe sich schon immer verändert. Man solle sich da nicht so anstellen.

So vertritt die eine Seite eine Postion, die andere Seite eine andere und am Ende schauen beide betroffen. Der Vorhang zu und alle Fragen offen.

Ist Sprache ein Wert oder ein Kommunikationsmittel

Man könnte stattdessen doch einen Schritt zurücktreten und die Frage diskutieren, ob eine Sprache einen Wert an sich darstellt oder ob sie nur ein Werkzeug ist, um Kommunikation sicherzustellen, das durch beliebig andere Werkzeuge ersetzt werden kann. Für sich haben beide Positionen diese Frage natürlich bereits unterschiedlich beantwortet und deshalb kann in der Diskussion auch nur Konsens gefunden werden, wenn die Positionen hier zueinander finden.

Natürliche und formale Sprachen

Bei einer formalen Sprache ist die Frage einfach zu beantworten. Im Gegensatz zu einer natürlichen Sprache, sind formale Sprachen starre Protokolle zur Kommunikation zwischen Maschinen. Die Betonung liegt hier auf starr, denn bis auf das unterscheiden sie sich nicht grundsätzlich von natürlichen Sprachen. Verletzt Sender oder Empfänger einer formalen Sprache die Syntax dieser Sprache, spricht er nicht mehr die Sprache. Der Empfänger kann in der Regel nach einer Abweichung nicht mehr verstehen, was der Sender gesagt hat und nur noch mit Unverständnis reagieren. Es gibt auch bei formalen Sprachen Graubereiche in denen Fehler aus Gründen der Robustheit verziehen werden und Interpretationsversuche stattfinden. Das geschieht etwa bei der Interpretation der bekannten Auszeichnungssprache HTML durch Webbrowser. Wenn ein korrektes Ergebnis aber entscheidender ist, als etwa die richtige Einrückung einer Tabelle, brechen Maschinen die Verarbeitung bei falscher Syntax aber einfach ab. Maschinen sind auf korrekte Einhaltung der Sprachregeln angewiesen, weil Maschinen keine Intelligenz besitzen, um Regelfehler durch Kontextwissen auszugleichen. Menschen können das und machen das ständig.

Direkte und indirekte Kommunikation

Auch gibt es Unterschiede zwischen direkter Kommunikation, wie einem Gespräch oder indirekter Kommunikation, wie der Schriftform. Es ist in der Deutschen Sprache grundsätzlich entscheidend, ob ein Wort groß oder klein geschrieben wird. Doch kann dieses Sprach-Feature in einem Gespräch überhaupt nicht eingesetzt werden. Verbal kann der Satz „Petra war immer gut zu Vögeln.“ nur mit Kontext richtig interpretiert werden, während er in Schriftform für sich alleine eindeutig ist. Doch besteht ein Kontext im Allgemeinen auch in der Schriftform, so dass die nicht anwendbare Regel in der verbalen Kommunikation durchaus ein Argument dafür sein könnte, in der Deutschen Sprache auf Großschreibung zu verzichten. Formal ist die Sprache ohnehin nicht, die Regel ist überhaupt nur für einen Teil der Kommunikation anwendbar. Warum nicht darüber nachdenken, ganz darauf zu verzichten.

Wert oder Werkzeug

Zurück aber zur Frage, ob eine Sprache einen Wert darstellt oder ein ersetzbares Werkzeug ist. Diese Frage kann vor allem durch den Verwendungszweck entschiedenen werden. Als Kommunikationsmittel - egal ob direkt oder indirekt - ist die Sprache nicht mehr als ein beliebig ersetzbares Werkzeug, bei dem nur wichtig ist, dass Sender und Empfänger das verwendete Protokoll richtig interpretieren können. Wenn beide Deutsch, Bayrisch, Amerikanisches Englisch oder schottisches Englisch sprechen, werden sie sich - da alles natürliche Sprachen sind - auch dann verstehen, wenn sie die Sprachen nicht formal korrekt benutzen, so lange nur beide ein ähnliches Kontextwissen besitzen. Haben beide ein ganz unterschiedliches Kontextwissen, würde ihnen übrigens der Einsatz einer formalen Sprache mit exakter Einhaltung der Syntax auch nichts helfen. Sie würden die korrekten Worte und den korrekten Satzbau hören, vielleicht sogar die Korrektheit der Syntax erkennen, könnten ihren Sinn, also die Semantik aber trotzdem nicht verstehen. Als Kunstmittel hingegen ist die Sprache ein Wert an sich, der aus Sicht der Schönheit und Wissensbewahrung erhaltenswert ist. Nur hat dieser Verwendungszweck neben dem Wissen etwa über die Sprachhistorie und Schönheit der Ausdruckskraft keinen Zweck für die Kommunikation. Und so führen die Sprachbewahrer im Gegensatz zu den Sprechern schon immer einen Kampf gegen Windmühlen. Sie können noch so sehr für den Erhalt des Status Quo kämpfen. Die Sprecher definieren eine natürliche Sprache. Und sie sind einfach mehr. Sie interessieren sich beim Sprechen in der Regel nicht für die Schönheit der aktuellen Sprache, sondern nur dafür, dass ihr Gegenüber sie versteht, während sie selbst möglichst wenig Energie aufwenden.